Endlich wieder im Tessin, endlich wieder im wunderschönen Castello del Sole. Das 5-Sterne-Hotel ist ein einzigartiges Hotel direkt am Lago Maggiore. Wir kennen kein Haus mit grösserem Umschwung (11,5 Hektrare!). Hier in der gepflegen Parkanlage kann man seine Seele so richtig baumeln lassen. Daneben gibt es einen SPA, Tennisplätze, Liegeplätze am See und vieles mehr zu entdecken. Auch die Kulinarik spielt im Genuss-Hotel eine wichtige Rolle. Die Gäste haben die Wahl zwischen vier verschiedenen Outlets. Mattias Roock ist seit ein paar Jahren für die vielfälltige Gastronomie verantwortlich.




Für seine, mit 18 Gault-Millau Punkten ausgezeichnete, Locanda Barbarossa hat Roock mit Leo Ott einen starken Küchenchef gefunden. Otts Küche haben wir vor ein paar Jahren im Grand Hotel Tschuggen Arosa kennengelernt. Damals kochte er einen Michelin Stern im dortigen Gourmet-Restaurant.
Seit unserem letzten Besuch vor sieben Jahren, hat sich im Fine-Dining-Restaurant viel verändert. Als Erstes fällt uns das neue Interieur auf. Grosse, florale Gemälde schmücken die Wände. Die Einrichtung ist moderner geworden, ohne etwas vom Tessiner-Charme verloren zu haben. Die grösste Veränderung in der Locanda Barbarossa betrifft aber die Kulinarik. Wir hatten damals Othmar Schlegel in seiner letzten Saison besucht. Mattias Roock hat seinen eigenen Stil auf die Karte gebracht – ohne, dass man auf die Klassiker verzichten muss. Denn auf der grossformatigen Speisekarte finden sich noch immer einige Highlights von Schlegels Zeiten, wie zum Beispiel der atlantische Hummer, die Gänseleber oder das Soufflée. Nur halt mit einem modern-frischen Twist.




Roock und Ott sind ein eingespieltes Team und stolz auf die vielen Produkte, die im Garten und im dazugehörenden Betrieb „Terreni alla Maggia“ produziert werden. Entprechend hat man das Menü „Sapori del nostro orto“ geschaffen, in dem alle Köstlichkeiten aus der Region verarbeitet werden. Wir ordern das komplette Menü in 7 Gängen zu 230 Franken. Alternativ wäre ein Degustationsmenü (internationale Zutaten) und eine Auswahl à la carte zur Auswahl gestanden.
Der Abend startet mit einem, für die Region typischen, lauwarmen Maggia-Brot. Mit seinem leichten Sauerteig-Anteil und der knusprigen Kruste ist es ein Hochgenuss. Dazu serviert man feines Olivenöl und perfekt temperierte, Butter, die eine sehr schöne Säure hat.

Das Amuse Bouche mit King Crab-Salat und Buttermilch (8/10) irritiert. Oder seit wann gibt es im Lago Maggiore Kingkrabs? Das Tier stammt natürlich aus dem Atlantik und kommt nur deshalb ins lokale Orto-Menü, weil man aus Kapazitätsgründen pro Abend ein einheitliches Amuse serviert. Auch wenn man die fehlende Stringenz bemängeln könnte: es schmeckt verdammt gut. Denn das fein gezupfte Fleisch des Krebses liegt in einer Buttermilchvinaigrette mit toller Dill-Note und erfrischendem Gurken-Gechmack. Darüber ein Mousse von der Buttermilch und ein knuspriger Leinsamen-Chip. Alles wird von einer perfekt dosierten Säure von der Yuzo (stammt aus dem eigenen Garten!) kontrastriert. Das schmeckt alles sehr frisch und passt perfekt in diesen schönen Spätsommer.

Mit einem asiatischen Touch geht es weiter. Der Sud im nächsten Gericht besteht nämlich aus Zitronengras und Zitronenblätter (wiederum beide Zutaten aus dem eigenen Garten!). Daneben knackige, süss-sauer eingelegte Navetten (Mairübe) gefüllt mit Minz-Mayo und Zitronencreme. Dadurch ergibt sich eine exotische, frische Kombination, die perfekt zur wundervollen Seeforelle (9/10) passt. Das ist ganz stark! Als wäre das nicht Highlight genug, serviert man uns à part ein Blini aus Farina Bohnen (Eigenanbau!) mit einer stolzen Nocke Kaviar aus Fruttigen obendrauf (Aufpreis 40 Franken). Das schmeckt alles himmlisch!


Was auf den ersten Blick wie klassische Facatini aussieht, ist in Wahrheit hauchdünne weisse Rande, gefüllt mit handgeschnittenem Tatar vom Tessiner Wagyu (8/10). Darunter ein Spiegel vom geräucherten Peperoni. Wir ziehen den Löffel durch die Sauce und werden vom betörenden Duft eingelullt. Die Mischung aus subtilen Noten und wuchtigen Aromen geht wundervoll Hand in Hand. Wiederum ein eindrücklicher Teller der richtig glücklich macht!

Im dritten Gang serviert man uns nicht nur das Highlight des Abends, sondern auch eines der besten Gerichte der letzten Jahre. Simpel als „kalte Tomatenessenz“ (10/10) annonciert, finden wir in der Schale alles was das wundervolle Gemüse zu bieten hat. Egal wie wir den Löffel durch die Schale ziehen und was für Schätze sich darauf versammeln – jeder einzelne Bissen ist eine Offenbahrung und schmeckt betörend nach Sommer. Hier vereinen sich Umami, Säure und Süsse zu etwas Grossartigem! Wir verneigen uns von der Natur, aber auch von den Handwerkern, die ein solche wundervolles Produkt so in Szene zu setzen wissen!

Mi viel Power geht es weiter. Leo Ott liebt es, das ganze Tier zu verarbeiten. So auch bei der Wachtel (8/10). Die Brust wird gebraten, der Rest wird konfiert und zusammen mit der Innereien zu einem genialen Raviolo verabeitet. Daneben findet man im Teller einen gebratenen Steinpilz und ein knuspriger Steinpilz-Chip. Dazu wird am Tisch eine himmlisch duftende und schmeckende Steinpilzsauce aufgegossen. Wow, die perfekte Einstimmung für den Herbst.

Der Zander (7/10) bringt dann wieder etwas Ruhe ins Menü. Obwohl der Sud, in dem der unverfälschte Fisch aus dem Lago Maggiore liegt, überraschend viel Power hat. Der Sud hat so viel Geschmack, dass wir überrascht sind zu erfahren, dass es sich um eine vegane Sauce aus Artischocken und Tomaten handelt. Eindrücklich!

Im Hauptgang serviert man uns ein Tessiner Lamm (7/10). Dazu ein wundervoller Lamm-Jus und spätsommerliche Begleiter in Form von Pilzen und Chicoree. Dazu noch zweierlei Polenta – die ebenfalls hier auf dem Hof angebaut werden. Ein starker Hauptgang, mit grossartiger Sauce! Einzig der etwas zu präsente Knoblauch-Geschmack verhindert knapp die nächsthöhere Note.

Als kleine Erfrischung serviert man uns nun eine Gin-Tonic-Interpretation mit etwas Grapefruit. An diesem Punkt ist es unnötitig zu erwähnen, dass der Gin natürlich ebenfalls von der „Terreni alla Maggia“ stammt.

Das Dessert heisst „Unsere Feige“ (8/10). Die Frucht wird begleitet von einer Kaffee-Kugel, Joghurt und einer wundervollen Honig-Note. In der Mitte finden wir ein Sud aus Zitrone, Honig und Estragon-Öl. Das ist ein ausgezeichnetes Dessert, dass trotz der vielen Komponenten eine schöne Harmonie schafft.

Auch bei den Friandises (8/10) scheut man keinen Aufwand. Wir finden ein Preiselbeergellee mit Rosmarin-Marschmallow, ein Baba mit dem hauseigenen Nocino Licör und Kiwi, sowie ein Financier mit Marronipannacotta. Jede einzelne Petitesse sieht nicht nur sehr schön aus, sondern schmeckt ausgezeichnet.

Fazit: Absolut beeindruckend mit welch Engagement die Crew hier arbeitet. Das Beginnt bei der Pflege im Garten und dann natürlich bei der aufwändigen Verarbeitung, wenn aus den angebauten Früchten und dem Gemüse mit viel Leidenschft solche Gerichte entstehen. Sinnbildlich dafür steht das Tomaten-Gericht – eine unvergessliche Kompositione für die das ganze Team um Mattias Roock und Leo Ott richtig viel Aufwand betrieben hat. Aber auch das restliche Menü war durchwegs auf sehr hohem Niveau. Und weil auch der Service unter der Leitung von Sergio Bassi einen super Job gemacht hat und es à la carte noch viel zu entdecken gibt, haben wir spontan für am nächsten Abend einen Tisch reserviert.

Menü: Das Menü „Sapori del nostro Orto“ in 5 (Fr. 195) bis 7 Gängen (Fr. 230), das Degustationsmenü mit internationalen Zutaten in 4 (Fr. 195) oder 5 (Fr. 220) Gängen sowie eine schöne Auswahl à la Carte mit Vorspeisen für ca. 40 Franken und Hauptgänge für 70 Franken. Die Desserts kosten ca. 26 Franken.
Weinbegleitung: Die Weinbegleitung kostet je nach Menü-Umfang zwischen 90 und 120 Franken.
Online: https://www.castellodelsole.com/de/essen-trinken/locanda-barbarossa
Wertung: Gourmör / Michelin
/ Gault-Millau
(Besucht im September 2023)















